Mythen, Märchen, Meridiane – von Josef Ernst
Während meiner Shiatsu-Ausbildung und auch danach in Seminaren und Gesprächen
mit Kolleginnen habe ich die Verwendung der Sprache immer etwas seltsam,
doppelbödig erlebt. Einerseits wurde sie verwendet um (Lern-)Inhalte wie MeridianVerläufe und körperliche, emotionale und geistige Zusammenhänge zu vermitteln,
andererseits blieb sie per definitionem vage und unkritisierbar, da ja die gesamte
Domäne der 5 Elemente und der Meridiane einen esoterischen Charakter3
und das Thema ‚Spüren‘ immer auch den Aspekt von ‚Hier, jetzt und in dieser Beziehung‘ haben.
Dazu kam noch die Anweisung ‚Spüren statt Denken‘, die mich überhaupt
verunsicherte, da bewusstes Spüren für mich mit Wörtern im Kopf einhergeht, ‚im Kopf
sein‘ aber in der Shiatsu-Sphäre einen abwertenden Beigeschmack hat.
Diese (scheinbaren) Widersprüchlichkeiten haben mich lange beschäftigt und irritiert,
letztlich waren sie aber der Motor für die Entwicklung und vorläufige Klärung meiner
persönlichen Auffassung von Meridianen im Shiatsu. Dabei haben mir die Begriffe
‚Mythos‘ und ‚Märchen‘ große Dienste erwiesen, da sie es meinem
Techniker-/Wissenschafter-Bewusstseinsanteil möglich machen, sich auf unscharfe
Bedeutungen einzulassen ohne sich in kritischer Reflexion zu verheddern.
Diese Arbeit ist:
1) ein Zwischenbericht über meine derzeitige Shiatsu-Arbeitshaltung
2) ein Beitrag zu esoterischer Sprach- und Lerngestik
3) der Versuch, Shiatsu-Sitzungen um die Dimension „Sprache“ zu bereichern.